Mit Urteil vom 21.02.2022 unter dem Aktenzeichen 26 O 490/20 hat das Landgericht Darmstadt klargestellt, was Kund:innen von Tesla und dem vielbeworbenen Paket „Volles Potenzial für autonomes Fahren“ erwarten dürfen. Unserem Mandanten waren beim Kauf des sogenannten FSD-Pakets (full self driving capability) Funktionen wie das Navigieren mit Autopilot inklusive automatischer Fahrt auf Autobahnen und -kreuzungen, Einparkautomatik, und Herbeirufen des Fahrzeugs auf Parkplätzen versprochen worden. Zudem wurde beim Kauf zugesichert, dass bis Ende 2019 eine Ampel/Stoppschilderkennung mit Anhalt-/Anfahrautomatik und das automatische Fahren innerorts möglich sein werde.

Leider funktionierte beim streitgegenständlichen Tesla Model 3 diese zugesicherten Eigenschaften größtenteils nicht: Der Kläger rügte unter anderem, dass das automatische Überholen von langsameren Fahrzeugen auf der Autobahn nicht funktioniere. Ein automatischer Spurwechsel an Ein- und Ausfahrten oder Autobahnkreuzen klappe ebenfalls nicht; es würden lediglich Vorschläge gemacht, die dann manuell eingeleitet werden müssten. Das Lenkverhalten bei Ein- und Ausfahrten oder Autobahnkreuzen sei schwammig und gleiche der eines „betrunkenen Fahranfängers“. Ampel- und Stoppschilder würden nicht erkannt werden und das Herbeirufen des Fahrzeugs auf Parkplätzen funktioniere ebenfalls nicht. Letztere Funktion sei nicht zuverlässig, breche ständig ab und benötige eine gefühlte Ewigkeit, um erneut anzusetzen. Das Fahrzeug verfüge nicht über die Hardware, um das automatisierte und das autonome Fahren zu ermöglichen.

Im Verfahren war unstreitig, dass im Fahrzeug nur die Hardware mit der Version 2.5 verbaut war, mit der Funktionen wie z.B. die Ampel-/Stoppschilder Erkennung mit Anhalte- und Anfahrautomatik nicht kompatibel ist. Tesla hatte trotz vorgerichtlicher Aufforderung hierzu keine Abhilfe geleistet, so dass unser Mandant den Rücktritt erklärte. Das Angebot von Tesla im Prozess, man werde die Hardware 3.0 nachrüsten wenn sie denn mal verfügbar sei, erachtete das Gericht für unzureichend.

In der Folge verurteilte das LG Darmstadt die Tesla Germany GmbH zur Rücknahme des Fahrzeugs und Rückzahlung des Kaufpreises sowie Erstattung von Kosten für Zubehör. Abgezogen wurde vom Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung für die durch den Kläger gefahrenen Kilometer, hinzugerechnet werden Zinsen für den Kaufpreis für die Dauer des Verfahrens.

Zwei Aspekte sind hier hervorzuheben, die dem Urteil unseres Erachtens Leitcharakter verleihen: Zum einen hielt das Gericht fest, dass das Paket „Volles Potenzial für autonomes Fahren“ auch wenn es wie hier nachträglich dazugekauft wurde, als sogenannte „embedded software“ mit dem Fahrzeug rechtlich als einheitlicher Kaufvertrag gilt. Von daher konnte der Kläger insgesamt zurücktreten. Zum anderen stellte das Gericht klar, dass bei Tesla-Fahrzeugen eine Lebenslaufleistung von 800.000km angenommen werden kann, was im vorliegenden Fall zu einer nur geringen Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer durch den Kläger führte. Anknüpfungspunkt für diese Bewertung war eine öffentliche Äußerung von Elon Musk, der die aktuelle Lebensdauer der in Tesla verbauten Batterien mit bis 800.000km angab und später nachlegte, das Model 3 sei auf eine Lebenslaufleistung von einer Million Meilen ausgelegt.

Besonders pikant hierbei: Die Anwälte von Tesla vertraten im Prozess die Ansicht, dass die Lebenslaufleistung eines Teslas wie bei einem Verbrenner nur 250.000 – 300.000 km betrage. Die Prozessvertreter von Tesla hatten die Äußerungen von Elon Musk zur Laufleistung wortwörtlich als „reißerische Aussage als Produktanpreisung im Sinne eine Werbeaussage“ bezeichnet, der keine Verbindlichkeit zukommen könne. Im Ergebnis überzeugte das nicht.

Unser Fazit: Das Urteil zeigt, dass Tesla für selbstbewusst proklamierte Produkteigenschaften auch rechtlich einstehen muss. Das ist fair und angemessen gegenüber den Käufer:innen und auch gegenüber dem Wettbewerb. Denn nur wenn E-Fahrzeuge auch halten was herstellerseitig versprochen wird, kann die Mobilitätswende gelingen.

Das – noch nicht rechtskräftige – Urteil stellen wir hier für alle Interessierten im Volltext zum Download zur Verfügung.

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