Üblicherweise bemühen sich Unternehmen, ihre Produkte im besten Licht darzustellen. Wer auch nur wenige Minuten auf der Website von Tesla verbringt, bekommt den Eindruck, dort würden waschechte Raumschiffe verkauft. Ein futuristisches Lenkrad im Yoke-Design, riesige Bildschirme, hunderte Kilometer Reichweite und genug Power, um den Wagen in gefühlt 2,7 Sekunden aus der Erdumlaufbahn zu katapultieren. Kein Wunder, dass Tesla in Deutschland mittlerweile zu den beliebtesten Automarken gehört.

Vor Gericht gelten andere Regeln

Das beste Produkt gewinnt also? Nicht unbedingt, denn vor Gericht gelten mitunter umgekehrte Vorzeichen. Häufig wenden sich Tesla-Kunden an unsere Kanzlei, die ihr Fahrzeug bereits seit einigen Monaten nutzen, dieses aber wegen gehäufter Mängel wieder zurückgeben wollen. Das deutsche Recht bietet in solchen Fällen die Möglichkeit, den Kaufvertrag rückgängig zu machen. Jedoch erhält der Käufer eines Pkw dann nicht den vollen Kaufpreis zurück, sondern muss einen gewissen Geldbetrag dafür abziehen, dass er den Pkw für eine gewisse Zeit genutzt hat. Hier kommt die Qualität des Fahrzeugs ins Spiel: Die Höhe des Betrags, den der Käufer für die Nutzung zahlen muss, berechnet sich durch den Anteil der bisher gefahrenen Kilometer an der zu erwartenden Lebensdauer des Fahrzeugs. Je höher die zu erwartende Lebensdauer desto niedriger der Nutzungsersatz, den ein Käufer bei der Rückabwicklung bezahlen muss. Für Verbrenner wird typischerweise eine Lebensdauer von 250.000 km angesetzt.

Dies hat in unseren Verfahren für Teils kuriose Ergebnisse gesorgt. Wir sind der Ansicht, dass Elektrofahrzeuge und insbesondere Teslas eine deutlich längere Lebensdauer haben als Verbrenner. Dies liegt vor allem daran, dass dort viel weniger bewegliche Teile verbaut sind, die mit der Zeit verschleißen. Mit dieser Einschätzung sind wir in guter Gesellschaft: Elon Musk selbst hat behauptet, der Akku eines Tesla halte ca. 800.000 km und das Getriebe eines Model 3 sogar 1,4 Mio. km.

Je schlechter desto besser

Gleichzeitig versuchen die Anwälte von Tesla mit allen Mitteln, im Prozess das Gegenteil zu beweisen. Denn je kürzer die Lebensdauer eines Tesla, desto mehr Nutzungsersatz muss ein Käufer bei Rückgabe bezahlen. In einem Verfahren vor dem Landgericht Berlin trug Tesla vor, elektrische betriebene Fahrzeuge seien „aufgrund der fortgeschrittenen Technifizierung und Elektrifizierung in der Regel fehleranfälliger als herkömmliche Verbrenner“. Im Gegensatz zu Verbrennern müsse die zu erwartende Gesamtlaufleistung „sogar nach unten korrigiert werden“ und sei deshalb 210.000 km. In einem anderen Prozess vor dem Landgericht Darmstadt behauptete Tesla, die oben zitierte Aussage von Elon Musk sei nicht verbindlich, sondern eine „reißerische Aussage als Produktanpreisung im Sinne einer Werbeaussage“. Dennoch hat das Gericht in diesem Fall in seinem Urteil eine Lebensdauer von 800.000 km angenommen. Dagegen hat Tesla Berufung eingelegt, das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Dies sind nur wenige Beispiele einer Situation, die in unseren Prozessen gegen Tesla schon mehrfach vorgekommen ist. An die Kunden sendet dieses Vorgehen ein bedenkliches Signal. Tesla sieht sich offenbar keineswegs an die eigenen Werbeversprechungen gebunden und schreckt nicht davor zurück, diesen direkt zu widersprechen, wenn finanzielle Nachteile drohen. Dass Tesla als Vorreiter der Elektromobilität auftritt und gleichzeitig vor Gericht behauptet, die eigenen Fahrzeuge seien Verbrennern unterlegen, ist kurios. Potenziellen Kunden sollte dies bewusst sein, trotz des futuristischen Marketings.

Mehr dazu auf der englischsprachigen Nachrichtenseite autoevolution.com:

https://www.autoevolution.com/news/tesla-lawyers-dismiss-elon-musk-s-claim-in-germany-state-the-cars-last-only-130488-miles-210418.html