Erst im Februar hatte der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin verworfen: Die fehlende Telefonnummer mache die Widerrufsbelehrung nicht unwirksam, es gelte daher keine um ein Jahr verlängerte Widerrufsfrist. Diesen Fall hat eine andere Kanzlei vertreten.
In einem von uns geführten Fall urteilte das OLG Stuttgart nun: Die von Tesla verwendete Widerrufsbelehrung ist unwirksam – und zwar nicht wegen der fehlenden Telefonnummer, sondern wegen Intransparenz.
Rechtsanwältin Jennifer Hofmann, LL.M., leitet in unserem Tesla-Litigation Team die Widerrufsfälle und ordnet die Entscheidung für Sie ein:
Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs ergibt sich aufgrund wirksamen Widerrufs aus §§ 355 Abs. 3 Satz 1, 312g Abs. 1 BGB. Dies gilt, sofern ein Verbrauchervertrag vorliegt, welcher im Fernabsatz geschlossen wurde, was vorliegend der Fall war. Dem Anspruch steht nach Ansicht des OLG Stuttgart eine – wie von Tesla wiederholt behauptete – individuelle Anfertigung des Fahrzeugs nach Kundenspezifikation zum Zeitpunkt der Bestellung nicht entgegen. Die Widerrufsbelehrung von Tesla entspricht nicht dem Gesetz, da sie den Verbraucher nicht darüber in Kenntnis setzt, ob im Einzelfall ein Widerrufsrecht besteht. Hierbei setzt sich das OLG Stuttgart im Detail mit der zuvor ergangenen Entscheidung des BGH vom 25.02.2025, Az.: VIII ZR 143/24, auseinander. So kann der Verbraucher bereits zu Beginn der einschlägigen Widerrufsbelehrung im Hinblick auf die sprachliche Darstellung der notwendigen Verbrauchereigenschaft sowie der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln nicht unmittelbar erkennen, ob in seinem Fall ein Widerrufsrecht bestehe. Die Beurteilung der persönlichen und sachlichen Voraussetzungen des Bestehens eines Widerrufsrechts bleiben dem Verbraucher überlassen, was nicht gesetzeskonform ist. Tesla kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, selbst überhaupt nicht in der Lage zu sein, das Bestehen eines Widerrufsrechts feststellen zu können, da dies in den Wahrnehmungs- und Verantwortungsbereich von Tesla selbst fällt und kein Grund zur Annahme besteht, dass es Tesla nicht zumutbar sei, die notwendigen Informationen durch entsprechende Organisation ihres Geschäftsbetriebes zu erfassen und vorzuhalten. Mit anderen Worten: Tesla muss innerhalb der eigenen Organisation nachbessern, damit ein Verbraucher unmissverständlich über sein Widerrufsrecht belehrt wird. Das OLG Stuttgart stuft die Widerrufsbelehrung auch dahingehend als fehlerhaft ein, da der Käufer nicht über die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware aufgeklärt wurde. Dankenswerterweise hat das OLG Stuttgart zum Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) eines erklärten Widerrufs ebenfalls Stellung genommen und diesen – im Gegensatz zu weiteren zuvor ergangenen gerichtlichen Entscheidungen – mit deutlichen Worten verneint. Einem zuletzt noch erforderlichen Rückgabeversuch des Käufers kann Tesla auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass hierfür eine vorherige Terminvereinbarung notwendig sei. Der Verbraucher kann das Fahrzeug vielmehr zur Herbeiführung des Annahmeverzugs innerhalb der allgemeinen Geschäftszeiten am Sitz des Unternehmens anbieten. Wie sich bereits aus der mündlichen Verhandlung im Dezember 2024 ergab, konnte sich Tesla hier auch nicht auf ein pauschales Bestreiten des Rückgabeversuchs berufen und musste den hier erfolgten Rückgabeversuch sodann – wie auch aus dem Urteil ersichtlich – unstrittig stellen.
Nachdem Tesla also nicht über die erforderlichen Anforderungen eines Widerrufs aufgeklärt hat, ist es dem Verbraucher möglich, innerhalb von einem Jahr und 14 Tagen wirksam den Widerruf zu erklären.
Das OLG Stuttgart hat die Revision zum BGH zugelassen. Das OLG Stuttgart sieht offen gelassene Fragen seitens des BGH als weiterhin klärungsbedürftig, stellt die Richtlinienkonformität in Frage und schließt sich einzelnen Erwägungen der BGH-Entscheidung vom 25.02.2025, Az.: VIII ZR 143/24, nicht an.
Wie geht es nun weiter? Das OLG Stuttgart hat die Revision zugelassen. Und so gehen wir davon aus, dass der BGH noch einmal ausführlich über die Tesla-Widerrufsbelehrung verhandeln wird. Die erste Nichtzulassungsbeschwerde wurde über den von uns beauftragten Anwalt zu BGH bereits eingereicht.
Für alle Betroffenen, deren Fälle noch offen sind oder die in erster Instanz abgewiesen wurden: Wir empfehlen, die Fälle bis auf Weiteres offen zu halten und alle Rechtsmittel auszuschöpfen. Auf Grund des Urteils des OLG Stuttgart ist seitens der Rechtsschutzversicherung eine Deckung für das weitere Vorgehen zu erteilen. Bei Fragen zu Ihrem konkreten Fall nutzen Sie gerne unser Ticketsystem.